Anfang, Ende und Epochen mittelalterlicher deutscher Literatur

Gegenstand der germanistischen Mediävistik sind acht Jahrhunderte deutschsprachiger Schriftüberlieferung von den ältesten erhaltenen Texten um 750 bis ins 16. Jahrhundert.

Die Epoche beginnt mit der tiefsten kulturellen Zäsur, die die deutsche Literaturgeschichte überhaupt kennt und reflektiert: dem Übergang von der vorchristlich-paganen Ära (die sich in einigen der ältesten überlieferten Texte fast unverfälscht bewahrt hat: Merseburger Zaubersprüche, ahd. Hildebrandslied) zur christlich-europäisch und zugleich antik geprägten Schriftkultur. Trotz aller Säkularisierungsschübe (und sei es in radikaler Abwehr) prägt letztere alle späteren, und noch die jüngsten, Phasen der neueren Literaturgeschichte.

Relativ am Ende der Epoche stehen zwei andere Zäsuren: die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, die mittelfristig den gesamten Literaturbetrieb veränderte (um 1440), und die Luthersche Reformation (ab 1517).

Eine grobe Periodisierung des Zeitraums gibt die Sprachgeschichte vor. Nach ihr definiert man mit fließenden Grenzen:

  • eine althochdeutsche (um 750-1050),
  • eine mittelhochdeutsche (bis ca. 1350)
  • und eine frühneuhochdeutsche Phase (bis ca. 1650; zu ihr vgl. das Teilfachprofil Germanistische Frühneuzeitforschung).

Als pragmatisches Ordnungsschema hat sich diese Periodisierung für die Lehre bewährt, als Grobstruktur prägt es die meisten Literaturgeschichten.

Unabhängig vom Studiengang sollten angehende GermanistInnen bei aller üblichen Fokussierung auf die mittlere Phase, und hier speziell auf die Zeit der höfischen 'Klassik' um 1200, versuchen, alle drei Phasen durch Seminare, Vorlesungen und literarhistorische Lektüren abzudecken.

Der spezifische 'genius loci' einer Mediävistik am KIT legt überdies nahe, ein epochenunabhängiges Interesse an fach- und wissensgeschichtlichen Texten zu entwickeln (geographisch-ethnographische Literatur, Enzyklopädik, Chronistik, Reiseberichte).