Perpetuum mobile

   Perpetuum Mobile mit Kugeln (Victoria
   and Albert Museum, London,
  Codex Forster II, fol. 91v; Lizenz)

 

Eine Maschine, die ohne Zuführung von Energie stets Arbeit verrichtet, eine nie versiegende Quelle der Bewegung –  das Perpetuum Mobile faszinierte die Ingenieure seit jeher. Indische Astronomen und mittelalterliche Baumeister rangen mit dem Perpetuum Mobile und auch Leonardos italienischer Vorgänger Giovanni Fontana (um 1395 – 1455) musste in seinem Jugendwerk über die Räder zugestehen, dass die ‚Rota continui motus‘, das Rad fortgesetzter Bewegung, nicht funktioniere. In seinen Notizbüchern beschäftigte sich Leonardo da Vinci mit zwei ähnlichen Varianten des Perpetuum Mobile. Im Codex Forster II, heute im Victoria and Albert Museum, London, nahm er sich ein Rad vor, an dem in gebogenen Röhren oder Führungsschienen Kugeln frei beweglich sind. Auf den ersten Blick ist die Idee einleuchtend. Durch die gebogenen Schienen werden die Kugeln auf der rechten Seite des Rades nach außen gedrängt. Insgesamt scheinen also auf der rechten Seite des Rades mehr Gewichte weiter von der Drehachse des Rades entfernt, müssten also ein größeres Drehmoment ausüben als die auf der linken Seite der Achse näher liegenden Kugeln. Im Codex Madrid I untersuchte er eine Variante, in der an der Außenseite des Rades klappbare Hämmerchen angebracht sind, die auf der rechten Seite ausklappen und links näher an die Achse heranklappen. Im Unterschied zu seinen Vorgängern, die nur aus Erfahrung berichten konnten, dass das Rad nach wenigen Umdrehungen ‚ermüdet‘, versuchte Leonardo, das Prinzip rechnerisch zu lösen. Er bewies in seinen Beitexten, dass sich die Momente am Ende doch gegenseitig aufheben, so dass die Energie des ersten Anstoßes keine neue Energie freisetzt, sondern sich in der Reibung verliert (D. Lohrmann: Codex Madrid I, 2018, S. 511 u.ö.). Das ist zwar noch nicht die Begründung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik, zeigte jedoch eine physikalisch hochstehende und kritische Durchdringung der Materie.

 

Perpetuum Mobile mit Klapphämmern (Biblioteca Nacional de España Madrid, Codex Madrid I, fol. 147v/148r; Lizenz: non commercial)

 

In den Skizzenbüchern deutschsprachiger Ingenieure finden sich zur selben Zeit ebenfalls Zeichnungen von Rädern, die niemals still stehen sollen. Das Weimarer ‚Ingenieurkunst- und Wunderbuch‘ schöpft offenbar aus derselben, unbekannten und in den Jahrzehnten vor 1500 entstandenen Vorlage wie das sog. ‚Kriegsbuch‘ des Ludwig von Eyb. Das Perpetuum Mobile mit den Kugeln ähnelt der Darstellung Leonardos frappierend. Die Variante mit den Klapphämmern wird im Vergleich mit Leonardos Reduzierung auf Kraftmomente sogar noch etwas deutlicher. Beiden Handschriften fehlt jedoch jeder Kommentar. Ob die Ingenieure, auf die die Zeichnungen zurückzuführen waren, der Versuchung einer ewigen Energiequelle erlegen waren, oder ob sie wie Leonardo an die Unmöglichkeit des Versuches glaubten und die Skizzen eher als Kuriosum betrachteten, bleibt im Dunkel.

 

  

Zwei Varianten eines Perpetuum Mobile im  ‚Kriegsbuch‘ des Ludwig von Eyb (Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, MS. B 26, fol. 119r, 120r – Lizenz: mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg)

 

  

Zwei Varianten eines Perpetuum Mobile im Weimarer ‚Ingenieurkunst- und Wunderbuch (Digitale Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Klassik Stiftung Weimar, Fol 328, fol. 11v, 12v – Lizenz: mit freundlicher Genehmigung der Anna Amalia Bibliothek)