Alte und neue literarische Formen

Für die Literatur, ihre Gattungen, Stile und Funktionen, blieben die tiefgreifenden sozialen und medialen Veränderungen des 15. und 16. Jahrhunderts nicht folgenlos. Das Drama blühte als geistliches und weltliches Spiel (hier v.a. das Fastnachtsspiel, das noch Goethe faszinierte) namentlich in den Städten, zu den markantesten Formen der Lyrik rechnete zeittypisch der Meistergesang (mit dem Hauptvertreter Hans Sachs, den Richard Wagner in den 'Meistersingern' verewigte). Der frühneuzeitliche Roman näherte sich formal der Historiographie an, lief nun auch unter dem Label 'histori'. Im neuen Formgewand der Prosa und trotz veränderter Poetik setzte er freilich nicht selten die Traditionslinien des Mittelalters fort: Tristan und Isolde, der weltreisende Herzog Ernst oder der Artusritter mit dem Rad, Wigalois, vor allem aber der Erzählkosmos um Karl den Großen und seine Vasallen, blieben 'Bestseller' auch in der Frühen Neuzeit, wurden seit dem 18. Jh. dann sogar 'Volksbücher'. Als solche stehen sie am Beginn mancher klassisch-romantischen Dichterkarriere.

Der Amadis, einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Monumentalromane der Frühen Neuzeit, der zugleich noch immer zu den am wenigsten erforschten gehört, schlägt die Brücke zur Romanpoetik des Barock, die in dieser Hinsicht kein abrupter Neubeginn ist, sondern viele Kontinuitäten in die Vergangenheit aufweist – was, Stichwort Petrarquismus, für die Lyrik nicht minder gilt.

Die Barockepoche, Scharnierglied im Zentrum der 'Frühen Neuzeit' (ca. 16.-18. Jh.), taugt insofern als fruchtbares Austauschfeld der tradierten germanistischen Fachteile Mediävistik und Neugermanistik in Zeiten einer sich immer weiter spezialisierenden und ausdifferenzierenden Forschungs-, Lehr und Studienpraxis.